Alpbach Talks: Über die Grenzen des Journalismus

– Diskussion über Medienethik und mehr –
Vergangenen Freitag luden das Europäische Forum Alpbach und die Wiener Zeitung zur Diskussionsrunde ins Media Quarter St. Marx. Das Thema: „Falling Fences: Are there any boundaries the press must not cross?“. Es dikutierten namhafte Ex-Journalisten und Medienfachleute, die aus ganz Europa nach Wien strömten. Die gänzlich auf Englisch abgehaltene Veranstaltung war zwar recht spärlich besucht, bietete aber einen durchaus interessanten Abend.

Verleihung des „Dr. Erhart Busek – SEEMO Award for Better Understanding in South East Europe“

„Mr President, the floor is yours“. Mit diesen Worten bittet Karl Schiessl, Geschäftsführer der Wiener Zeitung, Dr. Erhart Busek auf die Bühne. Kurz zuvor hatte er die Veranstaltung in (schlechtem) Englisch eröffnet. Erhart Busek verleiht nun feierlich den „Dr. Erhart Busek – SEEMO Award for Better Understanding in South East Europe“. Busek selbst sponsert der South East Europe Media Organisation den Award, der heuer an Jeta Xharra gehen soll. Die Journalistin aus dem Kosovo gründete einen TV-Sender (Balkan Investigative Reporting Network), und ist Moderatorin und Chefredakteurin einer revolutionären TV-Sendung. „Life in Kosovo“ vereint investigativen Journalismus und Diskussionen und etablierte im Kosovo einen neuen Standard an Berichterstattung. Mittlerweile ist die Sendung landesweit eine der Meistgesehendsten. Da die Journalistin selbst ihren Preis nicht entgegennehmen konnte, ließ sie ihre Danksagungen per Videobotschaft ausrichten.

„Falling Fences“ –  Gibt es Grenzen journalistischer Arbeit?
Titel und Beschreibung nach zu urteilen, durfte sich ein Gast dieser Gesprächsrunde mit Recht auf eine anregende Diskussion einstellen. Die markantesten Fragen, denen sich jene Medienfachleute widmen sollten, waren folgende: Wie weit können Journalisten gehen um Informationen zu beschaffen? Mit welchen Schwierigkeiten haben Reporter in Ländern, in denen die Medienfreiheit bedroht ist zu kämpfen ? Im Folgenden werde ich den Gesprächsverlauf im Groben wiedergeben.

„When you cross boundaries you pay the price.“
Allen voran gelte es den Begriff der Grenzen zu definieren und zu differenzieren. Da gäbe es die Grenze vom Standpunkt eines investigativen Journalisten. Investigative Journalisten müssen gewisse Grenzen überschreiten. Dafür werden sie vielerorts verfolgt und oftmals auch getötet, und das, obwohl sie von der ethischen Perspektive aus betrachtet etwas Gutes tun. Wenn Journalisten korrupt werden, und damit ethische Grenzen überschreiten, stelle das gewissermaßen einen Betrug an der gesamten Journalistenschaft dar.

Über die kroatische Medienlandschaft
Zrinka Vrabec Mojzes weiß wie miserabel es um die mediale Situation in Kroatien bestellt ist. Es gäbe keinerlei funktionierende Medienregulation, die Medienkorruption habe das Land fest im Griff. In vielen rennomieren Medienanstalten und -Unternehmen würden gut ausgebildete, erfolgreiche Journalisten entlassen und stattdessen unfertige Studenten beschäftigt, die wie Wachs in den Händen der Sponsoren sind. So sei dies auch der Grund warum eine bekannte kroatische Journalistin, die einen prekären Skandal rund um ein Pharmaunternehmen aufdeckte, nun arbeitslos ist. Um dieser Negativentwicklung entgegenzuwirken würden viele Journalistenkollegen in Kroatien die Grenzen der Professionalität übertreten, weil es die einzige Möglichkeit sei, auf dem Markt zu überleben.Common Sense & Common Decency
Laut Nenad Sebek gäbe es zwei wichtige Grenzen, die im Journalismus vermehrt überschritten würden: Der gesunde Menschenverstand und der allgemeine Anstand. Sich auf diese beiden Fixpunkte zu konzentrieren, würde den Journalismus aus seiner Qualitätskrise weitgehend befreien. Weiters sei es unter diesem Gesichtspunkt wichtig, die Verben informieren, bilden und unterhalten wieder journalistisch abzugrenzen. Durch Sparprogramme seien diese weitgehend verschmolzen, so zu sehen am Beispiel des sog. Infotainment. Sebek erläutert dies an einem imposanten Beispiel: Ein Auslandskorrespondent der BBC habe im TV aus Aghanistan berichtet als hinter ihm eine kleine Explosion stattfand. Der Reporter duckte sich, jedoch nicht stark genug, dass es überzeugend gewesen wäre. Wie sich herausstellte war die ganze Geschichte war vom Team insziniert. Jener Journalist habe definitiv eine wichtige Grenze überschritten.

Die Kraft der Bilder
Dies sei ein gutes Beispiel dafür, wie Journalisten oftmals davon getrieben seien, einen emotionalen Effekt zu erzielen, erläutert Anthony Mills, stv. Direktor des International Press Institutes in Wien. Bilder werden benutzt um einen möglichst großen Eindruck zu machen. So auch bei jenem Videomaterial, das entstand als die Statue von Saddam Hussein zu Boden gebracht wurde. Es machte den Eindruck, als seien tausende Menschen zugegen gewesen. Auf Material, das einige Zeit später zu sehen war, wurde jedoch klar, dass es sich höchstens um einige hundert Personen gehandelt haben kann.

Die ewige Diagnose – Journalismus in der Krise
An diesem Punkt der Diskussion passiert zu meinem Leidwesen das, was im Großteil der über Journalismus gehaltenen Vortäge und Diskussionen scheinbar unvermeidbar ist. Das Thema schlägt um, und es kommt zu altbekanntem Gerede über die Krise, in der sich die Medien befinden. Angefangen vom Sterben der Printprodukte über social media, dass jeder Blogger Journalist sein kann und der professionelle Journalismus dadurch gefährdet ist, bis hin zu leeren Spekulationen über die Zukunft des Journalismus. Wie es Nenad Sebek vortefflich formuliert: „We are fed up with the diagnosis“. Lösungen gibt es jedoch nicht wirklich. Nur einen Ansatz gäbe es: „Es gibt Regeln, wir müssen sie nur achten“.Links:
http://seemo.org/awards/busek/busek.html
http://www.alpbach.org/index.php?id=1740