Hilli Reschl über hilflose Politiker und oberflächliches Fernsehen

Moderatorin, Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Hilli Reschl (Fräulein Anni aus dem Seniorenclub) / Foto: Tivadar Vincze/Medieninsider.at– Die TV-Legende im großen Interview –
Medieninsider.at traf die junggebliebene Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Hilli Reschl zum Talk. Mit uns sprach sie über die sinkende Qualität in der TV-Unterhaltung, die österreichische Boulevardpresse und ihren Bezug zur neuen Technik rund um PC und Internet.

Schon als Fünfjährige begann Hilli Reschl Ballettunterricht zu nehmen, bereits Anfang 20 wurde sie als Operettensoubrette bei Bühnenproduktionen in ganz Österreich engagiert. In ihrer aktiven Zeit war sie häufig Gast in namhaften Fernsehsendungen und stand oft gemeinsam mit anderen Legenden, wie dem kürzlich verstorbenen Johannes Heesters, auf der Bühne. Als quirlige Kellnerin Fräulein Anni aus dem „Seniorenclub“ ist sie einem großen Publikum bekannt, den sie von 1968 bis 2000 in 1238 Sendungen erfolgreich vor und hinter der Kamera mitgestaltete.

Viele mögen es angesichts ihres adretten Auftretens und ihrer kräftigen Stimme kaum glauben, aber Hilli Reschl wird im April bereits 86 Jahre alt. Im März wird ihr vom Bundesministerium für Kultur das „Goldene Verdienstzeichen“ verliehen. Angesichts dessen traf Medieninsider.at-Chefredakteur Nikolai Atefie die Fernseh-Legende zum Interview.

Wie hat sich die TV-Unterhaltungsindustrie in den letzte Jahrzehnten verändert?
Für mich hat sich viel getan. Als ich die ersten Anfänge auf der Bühne machte gab es Fernsehen noch nicht (lacht). Aktuell gibt es viel zu wenig Kultur wie z.B. Theaterübertragungen im Fernsehen, auch ORFIII war längst notwendig, ist aber nicht ausreichend. Ich mag diesen Trend zur seichten Unterhaltung von Telenovelas & Co nicht. Mir kommt es so vor, als würde man lieber fünf mittelmäßige Sendungen als eine wirklich gute produzieren.

Wie beurteilen Sie das aktuelle Fernsehprogramm für Senioren?
Faktisch gibt es keines. Obwohl es immer mehr ältere Menschen gibt, wird diese Schicht von allen Sendern völlig ignoriert. Nachdem der auch damals noch sehr erfolgreiche „Seniorenclub“ abgesetzt wurde, kam nichts nennenswertes nach. Da muss etwas getan werden. (Anm. der Redaktion: Damals war die – aktuell wieder engagierte – Programmdirektorin Kathrin Zechner im Amt. Das Nachfolgeformat „Schöner Leben“ wurde 2009 eingestellt und nicht ersetzt.)

Hilli Reschl im Interview mit Medieninsider.at
Hilli Reschl im Interview mit Medieninsider.at

Was sehen Sie persönlich am liebsten?
Ich sehe sehr viel 3sat und Arte. Im ORF gefällt mir die Universum-Reihe sehr gut, ATV macht mit „AmPunkt“ ein ausgezeichnetes Diskussionsformat. Im fiktiven Bereich bin ich ein Fan von Ursula Strauss, die die Kommissarin in „Schnell Ermittelt“ wirklich gut spielt.

Nützen Sie das Internet?
Nein, da ich nicht mehr gut sehe, aber es interessiert mich auch nicht. Ich lebe auch ohne Computer gut und bin trotzdem informiert.

Was halten Sie von der Entwicklung der Boulevardpresse?
Es gibt so viele kamerageile und sensationssüchtige Lugners in unserem Land. Mir fällt auf, dass die Medien tabulos geworden sind, selbst bei intimsten Angelegenheiten. Es gibt keine Achtung und keinen Respekt anderen Menschen gegenüber mehr. Der Ethos der Journalisten ist ein kleiner und auch die Qualität im generellen sinkt. Was positiv ist, im Gegensatz zu meiner aktiven Zeit gibt es wesentlich freiere Berichterstattung.

Sind Sie ein politischer Mensch?
Ich bin auch jeden Fall interessiert und will wissen was so vor sich geht. Die Politiker wirken auf mich im Moment aber sehr hilflos und es gibt überhaupt keinen Zusammenhalt, kein Miteinander der Parteien in schlechteren Zeiten.

Wie sehen ihre Pläne für die Zukunft aus?
In meinem Alter plant man nichts mehr, man lässt es eher auf sich zukommen. Es war auch mal im Gespräch mit meinem Sohn Johannes Hoflehner (Anm. der Redaktion: Hoflehner ist Regisseur, Autor und Intendant des Theater Forum Schwechat) eine Biographie zu schreiben.
Außerdem habe ich ein sehr attraktives Angebot, wieder eine Rolle auf einer Wiener Bühne anzunehmen – mal sehen was die Zeit so bringt. Was ich aber auf jeden Fall weiß ist, dass ich – würde ich noch einmal geboren werden – alles genauso machen würde.

Übrigens: Diesen Artikel lesen sie in gekürzter Form auch in TV-MEDIA.