Die „Zeitung“ der Zukunft

Foto von Michael Brandtner / Foto: BeigestelltGast-Kommentar von Markenstrategen Michael Brandtner
Wie kaum ein anderes Konzept beschäftigt zurzeit das Internet die Printlandschaft. Viele Zeitungen und Zeitschriften sehen sich sogar durch dieses „papierlose“ Medium in ihrer Zukunft bedroht. So zeigen auch immer mehr Studien, dass sich vor allem das Leseverhalten und der Medienkonsum bei der Jugend ändern. Speziell aber die „Gratiskultur“ des neuen Mediums steht im Mittelpunkt der Zukunftssorgen.

Wobei die Macher der Printmedien an dieser Gratiskultur nicht ganz unschuldig sind. Nehmen Sie die typische Tageszeitung in Österreich: Für die Printausgabe muss der Leser oder die Leserin brav bezahlen. Die Internetausgabe bekommt man „geschenkt“.

Das „alte“ Modell in die Zukunft retten
Warum aber ist das so? Was will man damit bezwecken? Aus meiner Warte gibt es dafür nur eine Antwort: Man will so das derzeitige Geschäftsmodell in die Zukunft retten. Man will so auf Nummer Sicher gehen. Nur das ist kein ungefährlicher Weg, weil man so die Stärke des Internets nicht voll nutzt. Gefährlicher noch: Man lässt so den Weg für neue Medienmacher frei, die dann u. U. die Stärke des Internets voll nutzen.
Nehmen Sie die wirklich erfolgreichen Internetmarken! Wenn man sich die wirklich großen Interneterfolge ansieht, sind das keine alten Outernet-Marken, sondern neue spezielle Internet-Marken wie Google, Amazon, Facebook, Twitter, YouTube, eBay, MySpace, Priceline.com, Groupon, Wikipedia und andere. Diese Marken wurden speziell für das Internet geschaffen und hatten keine „belastende“ Outernet-Vergangenheit.

Die Schlüsselfrage dabei
Warum aber haben nicht die großen und etablierten Medienkonzerne neue Internetspezialmarken gebaut, die perfekt auf die neue Online-Welt ausgerichtet sind, und dort perfekt positioniert sind? Die Antwort ist klar: Viele haben am Anfang die Bedeutung dieses neuen Mediums unterschätzt (Das gilt auch für den Autor.) und dann aber versucht, das Internet in das alte Geschäftsmodell mit „Gewalt“ zu integrieren, statt selbst neue Spezialmarken zu bauen.
Dieses Schicksal könnte auch den Zeitungs- und Zeitschriftenmachern der Gegenwart drohen. Zurzeit sind alle vollauf damit beschäftigt, das alte Printmodell in das Internet zu übertragen bzw. Print und Internet „perfekt“ miteinander zu integrieren. Aber anscheinend stellt sich niemand die entscheidende Frage, nämlich: „Wie würde die perfekte Internetzeitung wirklich aussehen, die keine Rücksicht auf ein bestehendes Zeitungsmodell nehmen müsste?“ (Auch die neue iPad-Tageszeitung The Daily von Rupert Murdoch ist nur der halbe Schritt in die Zukunft. Denn ist quasi eine klassische Tageszeitung, die es eben nicht mehr in einer Printversion gibt.)
Foto Michael Brandtner / Foto: BeigestelltDazu muss man sich die großen Unterschiede zwischen Print und Online ansehen. Es sind vier, nämlich keine Druckkosten, keine Logistikkosten, keine Reichweitenbeschränkung (außer der Sprache) und die volle Interaktivität. Eine reine Fußballtageszeitung kann in der Printlandschaft nicht funktionieren, aber eine reine immer top-aktuelle Internetfußballzeitung könnte sehr wohl perfekt funktionieren.
Ein erster Vorreiter dieser Art etwa ist das Fußballportal Fupa (www.fu-pa.de) in Bayern. So bezeichnete Der Spiegel Fupa bereits als Wikipedia für Fußballnarren. Nur dies könnte nicht nur im Fußball, dies könnte in vielen Bereichen funktionieren und so endgültig das alte Zeitungs- und Zeitschriftenmodell im Internet überflüssig machen. Denn das Internet erlaubt eine ständig top-aktuelle Spezialisierung, die im Print unmöglich ist. Das ist die wahre Stärke. Speziell auch für Medien.

Fazit aus Markensicht
Niemand kann die Entwicklung einer neuen Technologie bzw. eines neuen Marktes vorhersagen. Wer aber aus Markensicht auf Nummer Sicher geht, sollte eine Marke für heute haben und mit dem neuen Konzept oder der neuen Technologie eine neue zweite oder auch dritte oder vierte Marke für morgen bauen, bevor es irgendwelche „Spinner“ tun, die dann den Markt auf den Kopf stellen. Dies werden sich jetzt auch viele etablierte Versandhändler denken, wenn diese den Erfolg von Amazon sehen. Dies könnten sich demnächst auch viele traditionelle Zeitungs- und Zeitschriftenmacher denken, die viel zu sehr mit der Verteidigung der Vergangenheit beschäftigt sind, statt eine neue aufregende, wachstums- und gewinnstarke Zukunft zu schaffen.

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Über den Autor
Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“.