KURIER-Brandstätter blickt ins Medienjahr 2012

Dr. Helmut Brandstätter / Foto: Atefie/Medieninsider.at– Widersprüchlicher Talk über die Zukunft –
Wir verfolgten letzte Woche die Veranstaltung der AFA (Akademisches Forum für Außenpolitik) die mit Helmut Brandstätter, Chefredakteur der Tageszeitung Kurier, einen hochkarätigen Gast gewinnen konnte. Im Talk spricht er über seine Erfolge mit der hauseigenen Plattform Austroleaks und gibt seine Meinung zum – wie er es nennt –  „Tahrir-Teich“ des ORF am Küniglberg ab. Medieninsider.at Chefredakteur Nikolai Atefie stellte kritische Fragen zum Thema Leserbindung im jungen Alter und machte die ernüchternde Erfahrung es zwar mit einem großartigen Gesprächspartner, aber dennoch mit einem Medienmanager ohne ersichtlichem Masterplan für das schwierige Medienjahr 2012 zu tun zu haben.

Helmut Brandstätter ist in der deutschsprachigen Medienszene kein Unbekannter. Er begann in den frühen 1980er Jahren als Redakteur in der ORF Auslandsredaktion. Nach Arbeiten in Bonn und Brüssel wurde er 2003 Geschäftsführer von n-tv, dann 2003 von Puls-TV und führte bis 2010 eine eigene Choachings- und Kommunikationsagentur. Seit 2010 ist Brandstätter Nachfolger von Christoph Kotanko und hat somit die schwere Position des Kurier-Chefredakteurs inne.

Zu Beginn der Veranstaltung lobte Brandstätter die ORF Redakteure, die sich trauen am, wie er es nennt, Tahrir-Teich des Küniglbergs aufzustehen und gegen die politischen Parteiinterventionen – Stichwort GD-Büroleiter Niko Pelinka – zu protestieren. Dies sei nur in der heutigen digitalen Zeit möglich, großteils durch starken Support der neuen Medien. Als Beispiel kann ZiB2-Anchor Armin Wolf genannt werden, der mit seinen Tweets zum Thema ja schon für Aufsehen gesorgt hat.

Brandstätter macht sich aber auch Gedanken über die Zeitung der Zukunft und ist überzeugt, dass auch in mehr als fünfzig Jahren die Menschen noch mindestens tageweise zu einer Zeitung greifen werden. Er glaubt aber, dass sich der Kernmarkt auf das Wochenende verlagern wird. Er hält es für sehr wichtig, dass ein Medienunternehmen Sicherheit kommuniziert und man daher publizistische Fehler weitgehenst vermeiden sollte. Und da darf natürlich während des Gesprächs ein kleiner Seitenhieb auf die Kronen Zeitung nicht fehlen – und auch was der Konsum des Blattes über das Land Österreich aussagt sei klar und bedenklich, merkt Brandstätter an.

Mag. Josef MANTL, Vizepräsident des AFA-ÖSTERREICH mit Dr. Helmut Brandstätter, Chefredakteut der Tageszeitung Kurier und Mag. Sieglinde MartinInstitutsleiterin des Instituts für Kommunikationsmanagement FHWien-Studiengänge der WKW (v.l.)
Mag. Josef MANTL, Vizepräsident des AFA-ÖSTERREICH mit Dr. Helmut Brandstätter, Chefredakteur der Tageszeitung Kurier und Mag. Sieglinde Martin Institutsleiterin des Instituts für Kommunikationsmanagement FHWien-Studiengänge der WKW (v.l.)

Er selbst scheint mit seiner Arbeit beim Kurier in den letzten eineinhalb Jahren zufrieden zu sein. So spricht Brandstätter von einem „sensationell stabilen Marktanteil“ und greift damit schon folgender Frage voraus, ob seine Zeitung nicht ein Problem der Zielgruppenfindung hat. Sein Plan, die Jungen an den Kurier zu binden, gehe über das Internet. Er arbeite mit eigenen Mitarbeitern via Facebook und möchte mit kurier.at den Internetnutzern in zehn Minuten einen Tages-Überblick geben. Für ihn sei es „völlig klar, dass ein 20-jähriger keine Tageszeitung abonniert hat, weil man ja nicht jeden Abend zuhause schläft – zum Glück.“ Brandstätter möchte also die Jungen binden, streicht aber gleichzeitig eine wichtige Plattform gerade für diese. (Unter Brandstätter wurde der KinderKurier verkleinert und die Grundstruktur so verändert, dass Kinder nicht mehr im Print schreiben können – Medieninsider.at berichtete bereits im Jänner 2011. Zusätzlich wurde der JugendKurier gänzlich gestrichen.) Seine Antwort darauf war, dass das Produkt KIKU nicht angenommen worden sei und dass der Erfolg enden wollend war. Er glaubt daran, dass es reicht Praktika zu vergeben und dass man einen Platz für Artikel von Kindern in einer Tageszeitung nicht rechtfertigen kann.

Eine sehr fragliche Aussage, die Brandstätter tätigte und damit auch für Verwunderung beim Publikum sorgt. Denn wie soll den jungen Menschen ein Zugang zur Zeitung geboten werden, wenn sie nicht die benötigte Aufmerksamkeit in den Medien bekommen. Die Kleine Zeitung und die Tiroler Tageszeitung sind in der Frage der Kindermedien im Gegensatz zum Kurier in die Offensive gegangen und geben seit 2011 mit der Kleinen Kinderzeitung und der Toni Times Publikationen für die ganz junge Zielgruppe heraus. Auch der Standard betreibt seit etlichen Jahren erfolgreich den Schüler- und Unistandard. Man wird sehen ob Brandstätters Strategie diesbezüglich aufgehen wird.

Was den Kurier im Generellen betrifft, möchte er auch 2012 verstärkt auf Infografiken setzen. Auch investigativer Journalismus stehe auf seiner Agenda. Derzeit sind zwei Journalisten damit beschäftigt, Informationen, die auf die hauseigene Plattform Austroleaks geladen wurden zu überprüfen und nachzuverfolgen. Von kleineren Chronik-Artikeln bis zu Gerichtsakten entstand schon die eine oder andere größere Geschichte.

Seine Hauptaufgabe werde aber weiterhin sein, wie er selbst sagt, die Leser nicht zu langweilen aber auch nicht zu überfordern. Er sehe auch Synergien zwischen jungen Mitarbeitern und älteren Semestern, die aktuelle Fakten und historische Hintergründe zusammenbringen können.

Abschließend bleibt zu sagen, dass die Qualität meistens darunter leidet, wenn ein Medienprodukt keine definierte Zielgruppe hat und es daher versucht es allen recht zu machen. Seit Sommer 2010 arbeitete Brandstätter stark am Online-Bereich der Zeitung. So ging im Oktober 2010 die erneuerte ehemalige ORF-Website Futurezone online und im Dezember daruf wurde kurier.at einem Relaunch unterzogen. Weiters könne er auch mit Austroleaks seinen Vormarsch in Richtung mehr investigativen Journalismus bekräftigen. Aber die Ausgaben hätten durch Einsparungen ausgeglichen werden müssen und so kündigte Brandstätter im Februar rund 25 Journalisten der Tageszeitung, wie unter anderem der Standard berichtete.
Dass Brandstätter ein guter Redner ist, wissen die Meisten. Ob er aber auch einen weitblickenden Masterplan hat und verfolgt ist fraglich, da die Berichte die er vorlegt großteils nichts Neues sind und nicht greifbar scheinen. Es bleibt also abzuwarten ob er es schafft die Positionierungsschwiergkeiten des Kuriers in den Griff zu bekommen und das Unternehmen in schwierigen Zeiten wirtschaftlich und qualitativ zu führen .

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