Vom Gerichtsreporter zum neuen Aufdecker der Nation

Florian Klenk bei den Medientagen 2010 / Foto: Kofranek/Medieninsider.at– Ein Portrait über Florian Klenk –
Florian Klenk hat den investigativen Journalismus der letzten Jahre in Österreich geprägt wie kein anderer. Anfang Juni 2012 wurde er Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter und wird diese gemeinsam mit Armin Thurnher führen. Grund genug für die Medieninsider.at-Redaktion sich den „Aufdecker der Nation“ einmal genauer anzusehen. Ein Portrait von Katharina Egg.

Der Klang von Namen wie Kromschröder oder Walraff lösen in vielen Köpfen Assoziationen mit under-cover Geschichten oder Reportagen über Milieus am Rande der Gesellschaft aus, die für Reporter normalerweise tabu sind. Diese Art von Journalismus, der investigativ und aufdeckend ist, liegt nicht an der Tagesordnung für den Durchschnittsreporter. Er verlangt von Journalisten eine bestimmte Neugierde, Empathie und viel Mut. Auf jeden Fall aber geht er über alltägliches Berichterstatten und Pressetexte abschreiben hinaus. Investigativer Journalismus erfordert es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, mutig nachzufragen, zu hinterfragen und vor allem eines: unermüdliches Recherchieren.
Doch wie sieht die Situation derer aus, die genau das tun? Gibt es noch investigative Journalisten, die auf Missstände hinweisen, die sich die Mühe machen und die Zeit nehmen lange zu recherchieren, auf „kleine“ Menschen einzugehen, Vertrauen zu gewinnen, keine Angst vor einem Rückschlag der Mächtigen zu haben, die in ihrer Gewohnheit gestört werden? In Österreich ist die Zahl derer klein, die genau das tun.

„Von realen Grenzen des Staates und den roten Linien unserer Gesellschaft“

Florian Klenk ist einer von ihnen. Mit den Worten „Es sind diese kleinen Geschichten über einzelne Schicksale, die Europa oft einen größeren Dienst als die große Politik erweisen“ übergibt APA-Chefredakteur Michael Lang 2009 Florian Klenk einen­ Journalistenpreis. Diese Auszeichnung hat er für die Kolumne „Hinter dem Zaun“ erhalten, die wie fast alle Reportagen im Falter erschienen ist. Nach der Erweiterung des Schengen-Raums 2007 hat sich der „Neue Aufdecker der Nation“, wie er in einem Interview von derWiener.at bezeichnet wird, hinter der Grenze umgeschaut. Seine schlimmsten Erwartungen wurden dort sogar noch übertroffen. Er besuchte das Flüchtlingslager „Pavshino“ in der Ukraine, das im slowakisch-ungarisch-ukrainischen Ländereck liegt. Früher zählte man die Region als Teil der Monarchie Österreich-Ungarn eindeutig zu Europa, doch heute hat sich der Grenzzaun genau dorthin verschoben und die Gegend spielt die Rolle des Außenseiters, dem die EU ihre Migrations- und Flüchtlingsprobleme aufhalst.

Auch Klenks erstes Buch, welches 2011erschienen ist, handelt von „realen Grenzen des Staates und den roten Linien unserer Gesellschaft“, wie er im Nachwort des Buches schreibt. Es heißt „Früher war hier das Ende der Welt“ und beinhaltet sechzehn gesammelt und zum Teil überarbeitete Falter-Reportagen aus Klenks Händen. Es geht nach wie vor um europäische und österreichische Grenzen, aber auch um die, welche innerhalb unserer Gesellschaft existieren. Der promovierte Jurist geht dabei der Frage nach, wie weit der Rechtsstaat dabei gehen darf, diese Grenzen zu schützen und was passiert, wenn diese überschritten werden. Er beschreibt Ereignisse, die nach dem kurzen medialen Aufrauschen wieder gänzlich aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden, aber noch längst nicht abgeschlossen sind.

Florian Klenk gewann 2010 den Alfred-Worm-Preis für investigativen Journalismus
Florian Klenk gewann 2010 den Alfred-Worm-Preis für investigativen Journalismus

Außerdem ist er ist der, der die Causa BUWOG ins Rollen brachte, in dem er im Falter die beschlagnahmten Tagebücher des Walter Meischberger teilweise veröffentlichte und kommentierte. In der, noch immer laufenden, Spenden- und Spesenaffäre enthüllte er immer wieder verschiedene Vorgänge und Machenschaften. Außerdem publizierte er Auszüge aus ihm zugespielten Telefonüberwachungsprotokollen von Gesprächen Grassers mit mehreren Beratern und Geschäftspartnern aus denen auch das bekannte Meischberger-Zitat „Wo woa mei Leistung?“ stammt. Aus diesen Telefonabhörprotokollen setzte sich auch der Inhalt einer Lesung im Audimax der Universität Wien zusammen, die unter Klenks Regie von den Kabarettisten Florian Scheuba, Robert Palfrader und Thomas Maurer inszeniert wurde. Es gibt eine Unzahl von Berichten, die regelmäßig im Falter erscheinen oder auf der Webseite „Klenks Watchblog“ nachzulesen sind. Inhaltlich liegt der Schwerpunkt bei Reportagen zum Thema Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Menschenhandel und Missstände im Justiz –und Polizeiapparat, aber es finden sich auch Meinungen zu Medienthemen und Anderem online.

„Keine Betroffenheit, sondern Recherche“

Mit Gesetzesübertritten und Grenzen innerhalb von Recht und Pflicht kennt sich der 1973 im niederösterreichischem Eichgraben geborene Florian Klenk aus. Er studierte Rechtswissenschaften in Wien und in den Niederlanden und wollte eigentlich Strafverteidiger werden, doch schon seine Dissertation zum Thema „ Pressefreiheit und Unschuldsvermutung“ passt zu seiner späteren Arbeit als investigativer Journalist. Es geht darin um die Rechtsprobleme der Kriminalberichterstattung, um das Mediengesetz und die europäische Menschenrechtskonvention. Während des Studiums engagierte sich „der Aufdecker“ bei „helping hands“, einer NGO, die im Fremdenrecht tätig ist und zur damaligen Zeit hauptsächlich Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien betraute. Die freie Mitarbeit beim „Kurier“, wo er hauptsächlich mit Gerichtsreportagen beschäftigt war und die Möglichkeit, mit Journalismus auf Vorgänge und Missstände hinweisen zu können, haben endgültig zur Verabschiedung vom Berufswunsch Strafverteidiger geführt. Das Positive aus der Zeit als Gerichtsreporter sind die Kontakte zu seinen heute wichtigsten Informanten, die damals entstanden sind.
Mit dem Ziel, vielleicht mehr bewegen zu können, wurde er freier Mitarbeiter beim „Falter“. Später arbeitete Florian Klenk zwei Jahre in Hamburg bei der „Zeit“ und ist dann als Politikchef und stellvertretender Chefredakteur zur Wiener Wochenzeitung zurückgekehrt. Einen Chef zu haben, der ihm bei seinen gründlichen Reportagen die zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen bietet, nennt Klenk in einem Artikel als sein Glück. Denn Zeitdruck ist das, woran die meisten potenziellen investigativen Journalisten in Österreich scheitern.

Florian Klenk machte schon durch seinen Vater, der für die SPÖ im Gemeinderat tätig war, Erfahrungen mit Ungerechtigkeiten. Er schenkte einem Flüchtling aus Traiskirchen ein Fahrrad, doch das wurde ihm wegen Diebstahlsverdacht sofort wieder abgenommen. Trotz der Kindheitserinnerungen ist nicht Solidaritätsempfinden der Antrieb seiner Arbeit, sondern sein Glaube an „eine offene und Rechtsstaatlichkeit geprägte Gesellschaft“, bei der sich alle an Gesetze halten müssen, auch die Polizei als Teil des Staates. Es gilt der Grundsatz „keine Betroffenheit, sondern Recherche“, damit kennt sich der Wiener auch bestens aus und unterrichtet auf der FH Wien für Journalismus das gleichnamige Fach. Klenk folgt außerdem der Tradition des Wiener Aufdeckungsjournalisten Egon Erwin Kisch, der Geschichten im wahrsten Sinne auf der Straße findet.

Biografie
Dr. Florian Klenk, geb. 1973, ist Journalist und Jurist. Seit Mai 2007 ist er Politikchef und seit Juni 2012 auch Chefredakteur des Falter. Für seine journalistische Arbeit wurde er u.a. mit dem Kurt-Vorhofer Preis, dem Claus Gatterer Preis, dem Alfred-Worm-Preis und dem Concordia Preis für Menschenrechte ausgezeichnet. 2005 wurde er von einer Jury zum Journalisten des Jahres in Österreich gewählt, 2007 und 2008 war Klenk „investigativer Journalist des Jahres“, 2010 Inhaber der Theodor-Herzl-Dozentur an der Universität Wien. Klenk unterrichtet „Recherche“ an der Fachhochschule für Journalismus in Wien.

Zur Autorin
Katharina Egg ist Publizistikstudentin und freie Mitarbeiterin bei Medieninsider.at

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