Wenn man denkt, es kann nicht mehr schlimmer werden, wird man meistens eines Besseren belehrt. Haben die Zuseher nicht schön langsam die Nase voll von immer wiederkehrenden, eingekauften, imitierten Fernsehformaten? Allem Anschein nach nicht. Der vermutlich größte Trend in der deutschprachigen Fernsehlandschaft nennt sich Sozialporno.
Die Schattenseiten der Gesellschaft werden medial an die Öffentlichkeit gebracht, oftmals zahlen die Mitwirkenden freiwillig einen hohen Preis dafür: Den der eigenen Privatsphäre. In einem Sozialporno wird alles getan, um alle nur erdenklich möglichen Aspekte des persönlichen Lebens an die Öffentlichkeit zu bringen. Und diese Öffentlichkeit saugt diese Details gierig auf, verbringt sie ihre Freizeit doch hauptsächlich damit, sich mit dem Leben anderer zu beschäftigen.
Die Konfrontation mit dem eigenen Dasein ist sowas von absolut out, es wird lieber verdrängt, kompensiert und an die eigene, persönliche Realität wird vorerst bloß nicht gedacht. Das Fernsehen zeigt sie uns, die bittere, harte, komische, Realität, denn das, was im Fernsehen passiert ist real, wozu eine Sendung sonst Realityshow nennen? Ja, es fällt vielen Menschen leicht, dies zu glauben.
Natürich soll mit dieser Form von Unterhaltungskultur eine möglichst breite Masse erreicht werden, der deutsche Privatsender Sat.1 steuert mit dem neuen Format “Rock statt Rente! Das Beste kommt zum Schluss” eine bisher eher vernachlässigte Zielgruppe an: die Senioren. Die Sendungsverantwortlichen haben vermutlich eine Marktlücke erkannt, denn schließlich befinden sich immer mehr ältere Semester unter uns, die noch dazu meistens über ausreichend potentielle Fernsehzeit verfügen. Man darf gespannt sein, wie eine Sendung, in der 90jährige Rocksongs zum besten geben und Altersheim- bewohnern das Singen gelernt wird, bei der breiten Masse ankommt. Auf jeden Fall stellt dieses Format eine erneute Alternative zu solchen für die jüngere Generation dar, wie etwa “We are Family”. In dieser Sendung werden alle Register gezogen: Familien finden zueinander, Familien werden getrennt, das schonungslose Drama des puren Alltags macht diese Sendung zur Spielwiese für medienaffine Selbstdarsteller.
Heutzutage will das “gemeine Fernsehvolk” vor allem eines: andere Menschen bei ihrem stark ausgeprägten Selbstdarstellungsdrang beobachten. Die Grenzen für diesen Drang sind durch die Möglichkeiten der Sendungsverantwortlichen so gut wie nicht vorhanden. Großes Gefühlsfernsehen, berührende Emotionen, hautnah erlebt von Menschen wie mir und dir. Das ist es offensichtlich, was das Fernsehpublikum vor die Bildschirme fesselt. Man darf gespannt sein, welche vermeintlich neuen Ideen diesbezüglich noch auf uns zukommen. Bald kann man den Fernseher nachmittags nicht mehr einschalten, ohne zwangsweise durch einen Sozialporno zu zappen. Allem Anschein nach drängt diese Form der Unterhaltung wohl auch in andere Verbreitungsmedien vor:
so plant doch die Immobilienplattform findmyhome.at ab Herbst 2011 österreichs erste Web-TV-Wg…In diesem Sinne: You are not alone!
Zur Autorin
Die 24-jährige Verena Wahlandt machte in ihrem noch jungem Leben schon viele Erfahrungen mit der Medienbranche. Nach ihrem Maturaabschluss ging die gebürtige Oberösterreicherin aus Steyr nach Wien und begann an der Uni Wien 2005 Theater-, Film- und Medienwissenschaften zu studieren. Währendessen lernte sie auch Schauspielen bei Barbara May an der 1st filmacademy. Seit März 2009 ist die vielseitige Journalistin unter anderem auch als Sängerin und als Society-Redakteurin bei einem Wiener Radiosender tätig.
Seit September 2010 schreibt das Medientalent Verena Wahlandt exklusiv alle 1-2 Wochen die Kolumne „Verenas Kommunikations-Suppe“ für Medieninsider.at.
Fotocredits:
Foto „Kommunikationssuppe“: (C) Corinna Teuschl
Foto Autorin Verena Wahlandt: (C) Brigitte Gaggl
Ein Gedanke zu „Thema Sozialporno-TV in „Verenas Kommunikations-Suppe“ (1)“
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