– EU-Medienbeobachtung und Mediendienst –
Grieche und EU-Liebhaber. „Unmöglich und absurd“ möchte manche meinen, die verstärkt heimische Boulevardblätter konsumieren. Ioannis Darmis, der Leiter der Abteilung Mediamonitoring und Mediendienste des Europäischen Parlaments beweist uns das Gegenteil. Im Interview erzählt er uns mit viel Expertise und Feingefühl was genau seine Arbeit ist und wieso er trotz vieler Probleme an das Überleben des Projekts EU glaubt.
Ganz entspannt sitzt Ioannis Darmis in seinem Straßburger Büro mit Blick auf den Europarat als ich ihn treffe und plaudert aus dem Nähkästchen. Seit 2005 arbeitet Darmis im Europäischen Parlament und reist jedes Monat – so wie rund 3.000 andere Mitarbeiter und Parlamentarier – für eine Sitzungswoche in die französische Grenzstadt Straßburg. Früher war er im Griechischen Diplomatischen Dienst bevor er 1994 im Sekretariat des EU-Verkehrsausschußes zu arbeiten begann. 2005 wurde er schließlich Abteilungsleiter des Referats Mediendienste und Monitoring und ist damit einer der höchsten Beamten in der Europäischen Union die sich mit Medien beschäftigen. Die Abteilung ist einerseits mit der Veranstaltung von Seminaren für Journalisten in Brüssel und in Strasbourg beschäftigt, die zum Ziel haben, die Medienberichterstatter mit der Arbeit des Europäischen Parlaments vertraut zu machen (dafür gibt es auch in allen 27 EU-Ländern eigene Kommunikationsbüros) und ihnen die Möglichkeit gibt sich mit Abgeordneten auszutauschen. So veranstalteten sie zum Beispiel Mitte Oktober eines der größten Jungjournalisten-Events in Europa, die „European Youth Media Days“ (wir berichteten). Andererseits betreibt seine Abteilung Medienbeobachtung die zum Zweck hat, die Berichterstattung der Medien in den Mitgliedsländern der Europäischen Union auf deren Wertung zu analysieren und etwaige falsche Berichte zu korrigieren. „Dies hilft auch unsere Arbeit zu evaluieren, unsere Prioritäten zu verifizieren und ist wichtig um zu sehen, wie das Parlament in der Presse der Mitgliedsstaaten wirkt und ob die Arbeit überhaupt ein Echo in den Mitgliedsstaaten findet,“ sagt er zu Medieninsider.at.
Von Nikolai Atefie
Wie beurteilen Sie die Berichterstattung in den 27-Mitgliedsländern?
Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass sie neutral und sachlich ist. Ein typisches Beispiel ist die letztwöchige Entscheidung des Parlamentes, die Bestellung von Herrn Mersch als Mitglied des Rates der Europäischen Zentralbank abzulehnen, weil die Abgeordneten der Meinung sind, dass die Gleichheit der Geschlechter nicht gegeben ist (Anm. derzeit sind 23 von 23 Mitgliedern männlich). Darüber wurde in allen Medien in Europa in einem sehr positiven Ton berichtet. Generell kommt es aber natürlich auf die verschiedenen Mitgliedsstaaten an. In Groß Britannien, ein traditionell EU-skeptisches Land, aber auch in Österreich gibt es, unter den großen Boulevardmedien, vermehrt negative Berichte. Positiv anzumerken ist, dass es generell eine dichte Berichterstattung über EU-Themen gibt, die Großteils sachlich sind.
Wie schätzen Sie das Wissen der Menschen über die EU ein?
Das variiert. Wegen der Finanzkrise ist das Bewusstsein und die Bedeutung der EU ziemlich stark. Früher waren bei europäischen Wahlen eher nationale Themen federführend, jetzt aber spielen Fragen auf EU-Ebene eine größere Rolle, wie zuletzt die Wahlen in Griechenland, Frankreich und den Niederlande zeigten. Das gibt uns auch die Hoffnung, dass die nächsten EU-Wahlen 2014 ein höheres Interesse bei dem Bürgern hervorruft.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat den Menschen bewusst gemacht, dass gewisse Fragen nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene gelöst werden müssen. Andererseits hat die EU es noch nicht klar machen können, dass sie auf die Probleme der Menschen schnell reagieren kann. Deswegen haben die Menschen auch schnell das Gefühl, dass die Entscheidungen auf einer Ebene gefällt werden, die sie nicht mehr kontrollieren können – also Maßnahmen die direkten Einfluss auf den Alltag der Bürger haben, die oft mit großen Opfern verbunden sind. Hier könnte das Parlament als Vertretung der Völker der europäischen Union eine große Rolle spielen und als direktgewählte Institution, diese Entscheidungen kontrollieren und am Ende des Tages von diesen entscheidungstragenden Körperschaften (wie zum Beispiel die europäische Nationalbank und die EU-Kommission) auch die Rechnung für ihre Entscheidungen zu verlangen.
Und wie geht es ihrem Heimatland?
In meinem Heimatland ist die Arbeitslosigkeit bei rund 25 %, die Gehälter und Pensionen werden gekürzt, bei Jugendlichen liegt sie sogar bei fast 50 %, was zu einer großen Verunsicherung geführt hat. Die griechische Gesellschaft weiß nicht mehr wo der Weg hinführen wird, obwohl man sagen muss, dass sich die Situation in den letzten sechs Monaten einigermaßen beruhigt hat und man Hoffnung hat, dass die griechische Wirtschaft bald aufatmen kann. Die Entwicklung der europäischen Geschichte zeigt, dass es immer wieder Höhepunkte aber auch Tiefpunkte gab, deshalb bin ich mir sicher, dass die europäische Union in der Lage sein wird, die Krise zu lösen. Die Mehrheit der Griechen ist immer noch der Meinung, dass ihr Land in der EU und in der Euro-Zone bleiben sollte.
Was fasziniert Sie an der EU?
In meiner Abteilung arbeiten Menschen aus allen 27 Mitgliedsländern, die ihre Sprache, Kultur und Mentalität mitbringen, aber wir schaffen es alle zusammen Resultate zu zeigen und effizient zu arbeiten. Wenn so eine kleine Zelle wie diese Abteilung funktioniert, dann kann ich mir vorstellen, dass die EU als großer Organismus auch weiterhin funktionieren wird. Wenn man bedenkt, dass sich vor wenigen Jahrzehnten die Europäer noch gegenseitig bekämpft und umgebracht haben, zeigt es doch wie wichtig es ist, dass Konflikte am an einem EU-Verhandlungstisch gelöst werden. Man sollte sich durch die Krise nicht negativ beeinflussen lassen, sondern daran denken wo Europa vor 60 Jahren war und wo Europa heute ist. Deswegen halte ich unsere Aufgabe für wichtig, da wir die Menschen überzeugen müssen, zu den Wahlen zu gehen und zu zeigen, dass das europäische Ziel unterstützenwert ist auch trotz derzeitiger Schwierigkeiten. Die EU ist das einzige, was Europa weiterbringen kann, das zu kommunizieren ist das Hauptziel von meinen Kollegen und mir.