Update:Presserat-Geschäftsführer Warzilek & ORF-Redakteursrat: „Ausweitung sinnvoll“ –
Nach aktuellen Debatten zum Thema Unabhängikeit des ORF, angefochten durch die bereits zurückgenommene Bestellung des SPÖ-Stiftungsrats Nikolaus Pelinka zum Büroleiter von Generaldirektor Wrabetz, wird der Ruf nach einem vereinten Presserat der als Selbstregulierungseinrichtung sowohl Print- als auch Rundfunkmedien verantwortet. Der ORF-Redakteursratsvorsitzende Fritz Wendl unterstützt die Idee: „Neuregelungen am Mediensektor sind überfällig und die ORF-JournalistInnen beteiligen sich an allem, was da nützlich sein könnte.“ Denn die erschreckende Wahrheit ist, dass es derzeit kein unabhängiges Kontrollorgan für TV und Radio gibt, die redaktionelle Qualitätssicherung sowie die Gewährleistung der Pressefreiheit und ein Mindestmaß an medienethischen Grundgedanken durch einen Rundfunkehrenkodex überprüft. Medieninsider.at sprach exklusiv mit dem Geschäftsführer des Österreichischen Presserates Mag. Alexander Warzilek, der von einem Presserat für alle Medien spricht – auch der ORF-Redakteursratsvorsitzende Wendl hält auf Medieninsider.at-Anfrage viel von der Idee.
Die Medienethik spielt in der heutigen Gesellschaft eine große Rolle. Wenn unmoralischer Boulevardjournalismus nicht nur bie den üblichen Verdächtigen im Zeitungsbereich zu finden ist, sondern – wohl auch durch zunehmenden privaten Rundfunk – auch auf andere Massenmedien und selbst auf den ORF überschwappt. Medieninsider.at berichtete bereits über den skandalös unmoralischen Beitrag im ZiB-Flash.
„In Österreich wäre es lanfristig vernünftig, dass der Presserat ausgeweitet wird. Ich bin aber skeptisch der Politk gegenüber, wenn sich auch der ORF dieser Selbstregulierungseinrichtung beugen muss,“ sagt der Geschäftsführer des Österreichischen Presserates Mag. Alexander Warzilek zu Medieninsider.at-Chefredakteur Nikolai Atefie. Weiters meint er, dass gerade aktuelle Fälle immer wieder zeigen, dass es in Österreich auch für Privatsender im TV- und Radiobereich ein unabhängiges Gremium braucht, der allfällige Missstände aufzeigt und dort auch entgegenwirkt.
Presserat-Warzilek: „Neue Einrichtung für alle“
„Es wäre vernünftig und modern eine für alle zuständige Einrichtung zu schaffen.“ Nach rund einem Jahr des `Presserats-Neu` sei es aber noch zu früh an eine sofortige Umsetzung dieser Gedanken zu denken, da noch andere Grundlagen zu erfüllen sind. Eigentlich, so sagt Warzilek, sei es „ein bisschen eine `No, Na-Frage`“ und dementsprechend wohl nur eine Frage der Zeit – obwohl er herausstreichen möchte, dass es aktuell noch kein Thema sei. Bedenken wendet er allerdings beim Thema ORF ein, dessen Willen er in Frage stellt. Denn ob man sich selbst ethische Bestimmungen gibt, oder sie von außen mit einer unabhängigen Kontrollfunktion auferlegt bekommt, mache sehr wohl einen Unterschied.
Auf Warzileks Agenda für die nahe Zukunft steht auch, den von den meisten Printmedien – die Kronen Zeitung, die Tageszeitung Österreich und das Gratisblatt Heute sind wenig überraschend nicht darunter, Gewerkschaften und Presseclubs anerkannten „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ zu überarbeiten. Die Überlegung den Rundfunk in den Presserat einzubeziehen könne man schon aus der letzten Überarbeitung von 1999 ablesen, in der die Präambel schon von „Zeitungsherausgeber/innen, Verleger/innen, Hörfunk- und Fernsehverantwortliche sowie Journalisten und Journalistinnen“ spricht, mutmaßte er.
Medieninsider.at fordert Unterstützung von ORF-Jornalisten
In einer Presseaussendung meldete sich auch Medieninsider.at-Chefredakteur Nikolai Atefie zu Wort: „Die Skandale rund um die SPÖ-Bestellungen im Öffentlich-Rechtlichen sind nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass es kein unabhängiges Kontrollorgan für den Rundfunk gibt. Daher ist jetzt an der Zeit den Presserat, der mit dem „Ehrenkodex der österreichischen Presse“ schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat, auch auf TV und Radio auszuweiten. Bei diesem Vorhaben darf man auf eine Unterstützung Warzlieks aus den Reihen der heimischen Journalisten, vor allem – aus aktuellem Anlass – von den ORF-Redaktionen erwarten.“
Übrigens, sowohl im ORF-Gesetz als auch im Qualitätssicherungssystem werden die Worte Ethik, Moral, ethisch oder moralisch in keiner Weise erwähnt. Auch der am 12.7.2011 in Kraft getretene „Verhaltenskodex“, der als Dienstanweisung erlassen wurde, geht nicht beziehungsweise nur sehr oberflächlich auf den „Journalisten als moralisches Wesen“ ein. „ORF-JournalistInnen und ORF-Programmverantwortliche haben alles zu unterlassen, das geeignet sein könnte, Zweifel an der Unabhängigkeit des ORF aufkommen zu lassen“. Der darin beschriebene „Ethikrat des ORF“ überprüft grob gesagt, also lediglich die Unabhängigkeit.
Update: ORF-Redakteursrat unterstützt Forderungen
Nun gab auch der ORF-Redakteursratsvoritzende Fritz Wendl ein Statement zur Thematik ab. Via Mail schrieb er: „Ein deutliche Ausweitung des „Presserat neu“ wäre natürlich überaus wünschenswert. Daher, es müssten vor allem endlich auch alle größeren Zeitungen sich der Selbstkontrolle verpflichten und dann wäre eine Ausweitung auf die (häufig mit den Zeitungen verbundenen) journalistischen Onlineangebote und die Privatrundfunkunternehmen notwendig. Eine der Grundvoraussetzungen dafür wäre, dass am Online- und Privatrundfunksektor endlich arbeitsrechtliche Mindeststandards für die dort beschäftigten JournalistInnen geschaffen werden, auch dort journalistischer Arbeit entsprechende Kollektivverträge abgeschlossen werden. Und es müsste auch der Passus fallen, dass mit einem Anrufen des Presserats ein Verzicht den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten verbunden ist.“
Allerdings möchte er festhalten, dass ein für alle Medien zuständiges „Ethikgremium“ eine sehr realitätsferne Idee sei. Nicht zuletzt auch deshalb, weil für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – völlig zu Recht – weit konkretere und weit strengere (auch gesetzlich fixierte) Regelungen gelten, als für alle anderen Medien. Ausführliche Programmrichtlinien, die auch Bestandteil aller Dienstverträge seien und der – ebenfalls gesetzlich vorgeschriebene – Verhaltenskodex für ORF-JournalistInnen, gingen deutlich über Mindeststandards üblicher Journalistenehrenkodizes hinaus. Es sei nicht sinnvoll und auch nicht möglich, dies auf alle andere Medien zu verpflichten.
Bei Verstoß gegen Medienethik: Ausschluss jeglicher Medienförderung gefordert
„Immer häufiger orientieren sich gewisse Medienproduzenten ja längst nicht mehr an „klassischem“ demokratiepolitischem Medienverständnis (Stichwort: vierte Gewalt), sondern am Warenhandel aller Art. Für solche Medien sind ernsthafte Verpflichtungen zu journalistischer Ethik kein Wert. Das sollte dann aber wohl auch u.a. einen Ausschluss von jeglicher Medienförderung bedeuten müssen.“
Wendl: „Neuregelungen am Mediensektor überfällig“
Wendl haltet Neuregelungen am Mediensektor für überfällig, der Definition von journalistischer Ethik und deren Einhaltung habe ein großer Stellenwert zuzukommen. „Da ist gefordert, was in diesem Land aber kaum existent ist, meist mit Klientelbedienung verwechselt wird: Medienpolitik. Die ORF-JournalistInnen beteiligen sich jedenfalls an allem, was da nützlich sein könnte, bekanntlich gerne und engagiert.“ schrieb er abschließend in seiner Stellungnahme an Medieninsider.at
Update: 9.2.2012, 12:45
Der Wiener Soziologe Peter F. Jedlicka hat unlängst ein kluges Büchlein zur Medienverantwortung in Radio und TV geschrieben („Medienethik in der Praxis“) in dem er sich stark auf den ORF bezieht. Sollte man so manchem ORF Nachrichtenredakteur(in) auf den Schreibtisch legen …