– Hans-Jörgen Manstein spricht Klartext –
„Es ist Zeit, dass die Redakteure revoltieren“ sagt Hans-Jörgen Manstein im Interview mit Medieninsider.at-Chefredakteur Nikolai Atefie angesichts der Skandale rund um gekauften Journalismus. Er gewährt einen Einblick in das Geschäftsmodell seines Verlages und macht sich laut Gedanken über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Zukunft des Österreichischen Journalismus.
Was ist ihr Erfolgsrezept?
Wir machen Publikationen für die Leser. Wenn die Leser die Arbeit und das Medium anerkennen und dafür bezahlen, wird es folglich auch von der Wirtschaft für Werbung genutzt. Ich habe nur Magazine gegründet, für die ich selbst die redaktionelle Leitung übernehmen konnte. Nur das Textilmagazin und den Traveller habe ich zugekauft. Früher haben wir mit dem „Dreigestirn-Prinzip“ gearbeitet. Ein Medium in Kombination mit einer Tagung und einem Buch. Seit einiger Zeit haben wir es auf ein „Viergestirn“ adaptiert und haben das Internet hinzugefügt, das früher oder später das Buch ablösen wird. Aber das Wichtigste, ist die harte Arbeit die hinter dem Verlag steckt, deshalb sind wir Marktführer.
>> Ich sehe ich dem nächsten Jahr mit ein bisschen Angst entgegen. <<
Halten sie ihr Unternehmen in schlechten Zeiten für krisensicher?
Die Nummer eins spürt eine Krise immer schwächer als ihr Mitbewerb. Allerdings sehe ich dem kommenden Jahr mit ein bisschen Angst entgegen. Unser Ziel wird die Verteidigung des aktuellen Umsatzes werden, wobei kleine Publikationen sicher ein Minus einfahren werden. Deshalb haben wir einen Maßnahmenkatalog ausgearbeitet, der vor allem die großen Medien stärken soll. Für das Magazin „Cash“ erscheint im März 2012 erstmals ein zirka 16 Seiten starke Beilage (Anm. im Kleinformat auf dem Cover angeklebt), das nicht austauschbare Informationen enthält und leicht für Jedermann ins Sakko zu stecken ist.
In den Unternehmensstatuten steht „[…] geprägt von der Geisteshaltung von Hans-Jörgen Manstein […]“. Wie ist da die Objektivität gewährt?
Ich versuche der Graalhüter der Redaktionen zu sein, werte aber keine Geschichten. Meine Journalisten arbeiten nach besten Wissen und Gewissen und versuchen stets das Adjektiv zum Objektiv zu machen. Wer eine Meinung zu einem Beitrag hat, darf diese gerne in einem gekennzeichnetem Bereich als Kommentar veröffentlichen.
>> Die österreichischen Politiker haben die Spitze des Eisbergs längst verlassen und befinden sich schon unter Wasser. <<
Wie ist Ihre Meinung zu der Entwicklung des Österreichischen Boulevards?
Im Norden Europas werden mindestens 1,8 Tageszeitungen pro Haushalt gelesen, in Österreich sind es gerade einmal 1,4. Das Problem ist, dass die Massenmedien das Wort Objektivität fehlinterpretieren und dadurch die Meinungsbildner der Leute werden. Dies ist ein Downgrading der besonders gefährlichen Art. Außerdem bin ich der Meinung, dass es so schlechte Boulevard-Medien in Österreich noch nie gegeben hat. Hinzu kommt, dass sich politische Entscheidungsträger einkaufen – und ich meine nicht mit begünstigten Inseratschaltungen, sondern den Kauf von Inhalten. Das bedeutet das Ende des freien Journalismus und führt die Bedeutung als vierte Gewalt im Land ad absurdum. Die österreichischen Politiker haben die Spitze des Eisbergs längst verlassen und befinden sich schon unter Wasser. Allerdings orte ich auch, dass wichtige Leute in der Medienbranche – speziell unter den sogenannten Qualitätsmedien – die Situation erkannt haben und aufwachen. Ich zitiere gerne den Nobelpreisträger Pablo Neruda, der sagte „Viele sind wir,“ auch wenn wir eine kleine Gruppe sind, die etwas verändern wollen. Ich bewundere die ZiB-Redaktion, die sich gegen den Willen von politischen Funktionären und gegen den Generaldirektor Wrabetz durchsetzten hat und einen Beitrag über gekauften Journalismus um 19:30 Uhr brachte. Es ist Zeit, dass die Redakteure revoltieren!
>> Frühstücks-TV kommt noch unter Wrabetz. <<
Wie denken sie über den ORF?
Der ORF ist der Identitäshüter der Nation. Es gibt zahlreiche Formate die x-beliebig austauschbar sind, allerdings auch viele, die für den Bildungsauftrag und das Land sehr wichtig sind. Der ORF muss aber mit der Zeit gehen. Dazu gehören bildungspolitische Maßnahmen, sowie neue Formate wie ein Frühstücksfernsehen. Ich bin mir sicher, dass es noch unter Wrabetz starten wird – er braucht nur die finanzielle Unterstützung der Regierung. Ich sehe Didi Mateschitz‘ ServusTV allerdings qualitativ höher als den ORF. Wobei es natürlich für den ORF schwer ist den Spannungsbogen zwischen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag und privater Konkurrenz ausgewogen aufrechtzuerhalten. Bei diesen Anforderungen – eine starke Reichweite und die Erfüllung des politischen Auftrags – liegt der Spielraum für gravierende Fehler im Nanomilimeter-Bereich. Eine positive Zukunft kann sich der ORF nur als gesundes Unternehmen bewahren. Er darf nicht äußeren Einflüssen und Einflüsterern ausgeliefert sein und muss innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Drittel seiner Mitarbeiter, sprich 1000 Personen, abbauen um gegenüber dem Mitbewerb gerüstet zusein und um sich seine Unabhängigkeit rückzuerlangen.
Zur Person
Prof. Hans-Jörgen Manstein, geboren am 27.9.1944, kommt ursprünglich aus der Tageszeitungsbranche und hat seine Anfänge in der Verwaltungsebene der Kronen Zeitung gemacht. 1979 legte er mit dem Branchenmagazin für Werbung „intern“ den Grundstein für den Manstein Verlag. Damit bedient er die Kommunikations-, Reisebüro-, Textil-, Versicherungs- und die Uhren- & Schmuckbranche, sowie den Handel und Tourismus – alle Special-interest Publikationen sind Marktführer in Österreich. 2001 verkaufte Manstein den Verlag an den Deutschen Fachverlage.
Ein Gedanke zu „„ORF muss 1000 Mitarbeiter bis 2016 abbauen““
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