Teil 4 der großen Medieninsider.at Boulevard-Reportage
Boulevardjournalismus beruht zweifellos auf der problematischen Kombination aus Journalismus, also im Idealfall informeller, objektiver Berichterstattung und Unterhaltung. Unterhaltungsformate werden für gewöhnlich vom Journalismus abgegrenzt. Dadurch, dass diese Trennlinie bei Boulevardmedien zunehmend verschwindet, entsteht eine nicht unbedenkliche Mischung.
Die journalistischen Methoden derer sich Redakteure im Boulevardbereich bedienen sind oft von Sensationsgier, Fahrlässigkeit, Voyeurismus oder reiner Erfindung von Fakten geprägt.
Der Zweck dieser Methoden ist eindeutig gleichermaßen zu unterhalten wie zu informieren, wobei der Unterhaltungswert oftmals zu überwiegen droht.
Gefahren und negative Effekte
Der Boulevardjournalismus, als ein das Hauptaugenmerk nicht auf journalistische Sorgfalt richtendes Informationsmedium, birgt als solches bei Konsumation zahlreiche Gefahren. Vorerst setzt sich der Bürger, aufgrund der mangelnden Seriosität dieser Blätter, dem Risiko aus, nicht vollends, objektiv und wahrheitsgetreu informiert zu werden.
Alleine die Ausübung des Journalismus, das Nachgehen des Berufs eines Redakteurs bei einer Boulevardzeitung, bzw. die Art und Weise wie jener dies zu tun pflegt, kann dem gemeinen Bürger als Einzelnen schaden. Hierzu ein Beispiel:
Als am 27.2.2007 ein Bankräuber in einer Bawag-Filiale in Wien Geisel nimmt, und zahlreiche Exekutivbeamte angespannt den weiteren Verlauf des Kriminalaktes abwarten, ruft ein Redakteur der Zeitung Österreich, Arpad Hagyo, in betroffener Filiale an um den Geiselnehmer zu interviewen.
Der Journalist wird verbunden und geht im nur wenige Minuten dauernden Gespräch alles andere als bedacht mit der äußerst aufgeriebenen Person am anderen Ende der Leitung um. Schlussendlich antwortet er auf die Frage, ob die Nummer, die er wählte, tatsächlich im Telefonbuch zu finden sei, mit „Ja, sicher!“, was dem Geiselnehmer offensichtlich nicht gefällt. Dieser reagiert aggressiv, fordert Hagyo auf seinen Tonfall zu ändern, und mit „Ja“ zu antworten, dem geht er nach anfänglichem Zögern nach. Der Geiselnehmer spricht noch: „Das hört sich besser an“, bevor er, offensichtlich wütend, auflegt. Ein Mitschnitt dieses Telefonats wurde auf der Video-Plattform Youtube veröffentlicht:
Der Journalist agiert stark fahrlässig und bringt mit seiner unprofessionellen, und nicht auf den Emotionszustand des Geiselnehmers Acht nehmenden Sprechweise, alle Geiseln in Gefahr. All dies ist auf die Sensationsgier der Zeitung zurückzuführen, die für exklusive Nachrichten sogar vor der Gefährdung anderer Mitmenschen nicht Halt machen zu scheint.
Äußerst erschütternd ist ein Beispiel aus Deutschland, das die dort ansässige Boulevardzeitung Bild betrifft: Der Medienjournalist Christoph Schultheis beschreibt in dem Sammelwerk „Rufmord und Medienopfer“ die Geschichte von Karl K., dessen Ehefrau seit 15 Jahren in psychiatrischer Behandlung war, als sie sich eines Tages das Leben nahm. Ein Reporter der Bild-Zeitung suchte den frisch verwitweten Karl K. auf, um sich als Polizeibeamter auszugeben und an Informationen zu gelangen. In der darauf folgenden Ausgabe der Bild erschien ein Artikel mit der Überschrift: „Aus Angst vor Frühjahrsputz: Hausfrau erschlug sich mit Hammer“, inklusive Foto des Ehemanns und dessen vermeintliche Zitate. Wenige Tage später nahm sich Karl K. ebenfalls das Leben. Seit „der Geschichte mit Bild“ sei er „total zerbrochen“, wie er in einem Abschiedsbrief schreibt. Man dürfe solche skrupellosen Leute von Bild nicht frei herumlaufen lassen, schreibt er in einem zweiten Brief an die Justiz. „Sie machen ihren Profit mit Zerstörung von Familienglück und Mord“. Karl K. bezeichnet den verantwortlichen Redakteur als seinen Mörder und erklärt er hätte die Schande nicht ertragen können.
Solche Vorkommnisse aufgrund von Sensationsjournalismus sind keine Seltenheit. Vor Allem die Bild-Zeitung ist als für zahlreiche Rufmorde und Medienopfer verantwortlich bekannt.
Und das erwartet Sie in den folgenden Werktagen:
- Boulevardmedien und ihre Rolle in der Politik
- Boulevardjournalismus in Funk und Fernsehen
- Nachwort
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